Sandmücken und Leishmaniose

Die Sandmückenart Phlebotomus perfiliewi

 


Phlebotomus perfiliewi wurde 1930 von Parrot anhand von vier auf der Krim (Paspra, Miskhor) gefangenen männlichen Sandmücken beschrieben. Die Beschreibung des Ph. perfiliewi-Weibchens findet sich 1931 bei Adler & Theodor, als diese Ph. macedonicus (= Ph. perfiliewi) aus Waterston, Macedonia (Ex-Jugoslawien oder Griechenland ?!) beschreiben. An dieser Stelle wiesen die Autoren darauf hin, daßPh. macedonicus bisher mit Ph. perniciosus verwechselt wurde. Die Autoren waren sich jedoch noch nicht bewußt, daß auch 'ihr Ph. macedonicus' bereits ein Jahr zuvor als Ph. perfiliewi beschrieben wurde. Dieses bedeutet, daß alle für Griechenland und Ex-Jugoslawien als Ph. macedonicus oder Ph. perniciosus (auch weit über die 30er Jahre hinaus) bestimmten Sandmücken als Ph. perfiliewi aufzufassen sind.

 

Geographische Verbreitung

 Phlebotomus perfiliewi findet man in Europa in Italien und Griechenland. Darüberhinaus in Ex-Jugoslawien und Rumänien, in Rußland auf der Krim, in Ungarn und in der West-Türkei, sowie in Nord-Afrika in Marokko, Algerien und Tunesien. Zwei geographisch isolierte Vorkommen von Ph. perfiliewi wurden als Unterarten beschrieben. So trifft man Phlebotomus (perfiliewi) galilaeus auf Zypern, in der Türkei, im Libanon und in Israel sowie Phlebotomus (perfiliewi) transcaucasicus in Transkaukasien (westlich des Kaspischen Meeres). Diese beiden Unterarten werden seit 1984 als eigenständige Arten angesehen.

 

Vektorkompetenz

Phlebotomus perfiliewi ist nachgewiesener Vektor viszeraler Leishmaniose (Leishmania infantum) in Italien und Algerien. Ph. perfiliewi ist ein verdächtigter Vektor viszeraler Leishmaniose in Griechenland, Rumänien, Tunesien und Ex-Jugoslawien.

Die Unterart Phlebotomus (perfiliewi) transcaucasicus ist nachgewiesener Vektor viszeraler Leishmaniose (Leishmania infantum) im Iran.

Phlebotomus perfiliewi ist nachgewiesener Vektor verschiedener Phlebovirus-Serotypen in Italien und Ex-Jugoslawien.

1939 berichtete Vanni über Flagellaten (wohl also Leishmanien) in der Sandmücke Phlebotomus macedonicus (= Ph. perfiliewi). Er sammelte diese Sandmücken in einem Haus in Roseto (Abruzzen,Italien), in dem eine Familie lebte, deren Kinder Hautläsionen, bedingt durch kutane Leishmaniose aufwiesen. Weitere in diesem Haus gesammelte Ph. macedonicus- Mücken (= Ph. perfiliewi) wurden homogenisiert (zerkleinert) und das Homogenat auf Ratten inokuliert (überimpft). Nach 40 Tagen wurden am Ort der Inokulation (Stelle der Überimpfung), an dem sich nun eine Schwellung befand, Leishmanien gefunden. Die Inokulation auf Hamster gelang ebenfalls.

1983 isolierten Gligic et al. aus Ph. perfiliewi in Ex-Jugoslawien (Serbien) das Jug Bogdanovac Virus. Antikörper gegen dieses Virus wurden in dieser Region auch im Menschen und in domestizierten Haustieren gefunden.

1988 isolierte Balducci aus Ph. perfiliewi in Italien (Toskana) das Toscana Virus (Familie Bunyaviridae, Genus Phlebovirus). Bei serologischen Untersuchungen in Florenz stellte sich heraus, daß sich bei 24.8% der Bevölkerung Antikörper gegen dieses Virus im Blut befanden.

1987 gelang Maroli et al. die Isolation des Leishmania infantum- Zymodems (MON-1) aus der Sandmücke Ph. perfiliewi in den Abruzzen in Italien.

1992 fanden Nadim et al. in zwei Exemplaren von Phlebotomus perfiliewi transcaucasicus in der Meshkin - Shahr Region im Nordwesten des Irans den Leishmaniose-Erreger Leishmania infantum.

1993 identifizierten Izri & Belazzoug in Tenes in Algerien in Ph. perfiliewi das Leishmania infantum Zymodeme MON-24. Die Durchseuchungsrate infizierter Ph. perfiliewi lag bei 0.1%.

 

Verhalten

Phlebotomus perfiliewi ist:

 

  •  
  • zoophil (Säugetiere als 'Opfer' bevorzugend) und unter Laborbedingungen auch anthrophag (dann auch am Menschen Blut saugend),

  • stark phototrop (wird durch Glühlampenlicht im Freien angelockt),

  • im allgemeinen jedoch exophil (fliegt nicht beleuchtete oder dunkle in Räume hinein), und daher

  • exophag (im Freien Blut saugend).

 

Sonstiges

Das Wirtsspektrum von Phlebotomus perfiliewi

 Das Wirtsspektrum von Ph. perfiliewi erscheint äußerst vielseitig. Im Laufe meiner eigenen Untersuchungen wurde Ph. perfiliewiBlut saugend aus den Ohren von Schafen gesammelt. Im Labor wurden der Mensch und das Kaninchen als Wirt akzeptiert (siehe meine Diss.). Im Gebiet um Dobric in Mittel-Serbien, einer Region endemischer kutaner und viszeraler humaner Leishmaniose, fand Kostic 1951, daß Ph. perfiliewi eine Präferenz für menschliches Blut zeigte, jedoch auch am Hund, Pferd, Rind, Schwein und Schaf saugte. Zivkovic et al. kamen 1973 zu einem ähnlichen Ergebnis bei Untersuchungen in Serbien. 1974 fingen Zivkovic & Adamovic Ph. perfiliewi in der Region um Dobric sehr zahlreich in einem Betonhäuschen nahe einer Quelle, jedoch fast 2 km von der nächsten bewohnten Siedlung entfernt und vermuteten daher wilde Nagetiere als Wirt von Ph. perfiliewi, ob sich in näherer Umgebung vielleicht ein Schafstall befand, gaben die Autoren jedoch nicht an. In einer weiteren Untersuchung von Miscevic 1980 im Gebiet um Dobric saugte Ph. perfiliewi hauptsächlich an domestizierten Hunden sowie auch an der Ratte Blut, nicht jedoch am Menschen. 1984 stellten Miscevic & Milutinovic dann in der gleichen Region fest, daß Ph. perfiliewi zu mehr als 90% an der Ratte Blut saugte und nur selten am Hund; und 1986 stellten dann Miscevic & Milutinovic fest, daß Ph. perfiliewi jetzt in dieser Region zu mehr als 50% ein anthropophiles Blutsaugverhalten zeigte, gefolgt vom Blutmahl an Hund, Schaf und Ratte.

 Bei der 'berühmten' Kala-azar Epidemie 1971 - 1972 in Emilia Romagna in Nord-Italien wurden bei anschließenden entomologischen Untersuchungen von Killick-Kendrick et al. ausschließlich Sandmücken der Art Ph. perfiliewigefunden. Neben dem Mensch wurden Vieh, domestizierte Kaninchen und der gemeine Hase (Lupus europaeus) als weitere Wirte dieser Sandmückenart festgestellt. Nagetiere (Ratte, Feld- und Wühlmaus) und domestizierte Katzen wirkten relativ unattraktiv auf Ph. perfiliewi. In der Toskana wiederum fand Gradoni et al. 1983, daß Ph. perfiliewi bereitwillig an der Ratte in der Natur Blut saugte.

Ph. perfiliewi erscheint also als Sandmückenart, die über ihr gesamtes Verbreitungsgebiet an dem jeweils vorherrschenden Säugetier in einer Region Blut saugt. Ph. perfiliewi wurde in Nordost-Griechenland in einer Höhenlage zwischen 0 und 200 Metern grundsätzlich als dominante Sandmückenart angetroffen. Im Gegensatz zu Ph. neglectus als hügelbewohnende Sandmückenart ist Ph. perfiliewi eher in den Tälern zu finden. Wie bereits zur Sandmückenart Ph. neglectus ausgeführt, ist humane Leishmaniose auf Chalkidiki und um Thessaloniki praktisch unbekannt, canine Leishmaniose ist hingegen relativ häufig. Das Dorf Plagiari bei Thessaloniki liegt in einer Region, in der 6,4% der 1991 von Argyriadis & Litke getesteten Hunde für Leishmania-positiv befunden wurden. In meinen Untersuchung konnte nach zweijährigem intensiven Sandmückenfang in Plagiari keiner der bisher nachgewiesenen Vektoren (Ph. papatasi oder Ph. neglectus) gefangen werden. Vergleichbare Bedingungen wurden auf der Insel Ustica (Italien) beobachtet. 37% der Hunde auf dieser Insel wurden serologisch alsLeishmania-positiv befunden, jedoch wurde kein humaner Leishmaniose-Fall bekannt. Die Autoren diskutieren dieses mit der möglichen Existenz eines für Menschen nicht pathogenen Leishmania- Stammes. Auch auf der Insel Ustica ist Ph. perfiliewi 1982 von Mansueto et al. in hoher Dichte gefangen worden.

Es soll daher vermutet werden, daß Ph. perfiliewi einen weiteren - für Griechenland bisher unbekannten - Leishmaniosevektor darstellt und daß in einer Höhenlage zwischen 0 und 200 m. ü. NN Leishmaniose eine Zoonose ist, mit Ph. perfiliewi als Vektor und dem Hund als Reservoirwirt.

 

Die Brutplätze von Phlebotomus perfiliewi

 Während meiner Untersuchungen konnten die ersten Brutplätze der Sandmückenart Phlebotomus perfiliewi durch direkten Larvenfund in der Natur beschrieben werden (siehemeine Diss.). Es handelt sich um eine Grundwasserpumpstation in Polichrono auf Chalkidiki, in deren Bodenbereich drei Ph. perfiliewi- Larven gefunden wurden und um einen Talgraben nahe dem Ort Plagiari bei Thessaloniki, in dem 26 Ph. perfiliewi- Puppen gesammelt werden konnten. Vanni vermutete 1940 die Brutplätze von Ph. macedonicus (= Ph. perfiliewi) in Italien in Dunghaufen. In Nordost-Griechenland sind solche Dunghaufen sicherlich kein Sandmückenbrutplatz, weil das häufige Entfernen von Mist aus Farmen und die hohe Temperatur in solchen Misthaufen Bedingungen darstellen, die Sandmückenlarven nicht die Möglichkeit geben, sich für mindestens einen Monat im Sommer oder acht Monate über den Winter in solchem Material zu entwickeln. Dolmatova fand 1946 in Georgien, daß Sandmücken verschiedener Arten, auch Ph. perfiliewi transcaucasicus, in einem Graben in und aus Nagetierbauten fliegt, und schloß daraus, daß Sandmücken auch in solchen Nagetierbauten brüten. In Serbien vermuteten Zivkovic & Adamovic 1973 ein Brutplatz von Ph. perfiliewi in einer V-förmigen Schlucht. In dieser Schlucht flog Ph. perfiliewi aus Nagetierbauten (hauptsächlich der Feldmaus Apodemus sylvaticus) und aus den Bauten des Bienenfressers (Merops apiaster). Offensichtlich bieten solche eher feuchten Schluchten im Norden Griechenlands und in Serbien und Makedonien des ehemaligen Jugoslawien neben Sandmücken auch Nagetieren und Vögeln günstige Brutvoraussetzungen. Vom Menschen geschaffene Brutplätze für Ph. perfiliewi stellen Wasserpumpstationen dar. Auch diese liegen (wie auch die natürlich feuchten Schluchten oder Gräben) meistens am tiefsten Punkt im Gelände. 1974 fingen Zivkovic & Adamovic Ph. perfiliewi zu mehr als 95% aller Sandmücken in einem Betonhäuschen einer Quelle - sicherlich vergleichbar mit den Bedingungen der Grundwasserpumpstation auf Chalkidiki.

 

Die Flugaktivität von Phlebotomus perfiliewi

Phlebotomus perfiliewi ist eine Sandmückenart, die offenbar weite Flugstrecken zurücklegen kann. In Plagiari konnte ich nachweisen, daß diese Sandmückenart in einem Graben brütet (siehe meine Diss.). Nach dem Schlüpfen benötigt diese Sandmückenart eine Energiequelle (Zucker), vermutlich um weitere Flugstrecken bewältigen zu können. Ich konnte sowohl in der Natur beobachten, sowie auch im Labor experimentell nachweisen, daß Ph. perfiliewi in den Tagen nach dem Schlüpfen während der Dämmerung gezielt eine Kohlenhydratquelle anfliegt, in diesem Fall die Exkrete von Blattläusen (siehe meine Diss.). Nachdem eine Kohlenhydratquelle gefunden, aufgenommen und verdaut wurde, suchen Ph. perfiliewi- Weibchen (vermutlich noch vor der Kopulation) einen geeigneten Wirt auf, in Plagiari, wie auch in Polichrono das Schaf. In Plagiari und in Polichrono wurde mit z.Tl. hohem apparativen Aufbau gezeigt, daß die Sandmücken von ihrem Brutplatz (dem Graben in Plagiari oder der Grundwasserpumpstation in Polichrono) in den frühen Nachtstunden (22 - 24 Uhr) den sich bildenden thermischen Aufwinden in Richtung des aufsteigenden Geländes folgen. In Plagiari gelangten die Sandmücken (hauptsächlich Ph. perfiliewi), die solchen Aufwinden folgten, nach einer Strecke von 140 m auf die Gaganios Farm, eine Schaffarm, und in Polichrono nach ca. 60 m in einen Schafspferch (siehe meine Diss.).

 Wenn Ph. perfiliewi nun ein Blutmahl am Schaf als Wirt genommen hat, so muß ein geeigneter Rastplatz zur Verdauung gefunden werden. Es konnte gezeigt werden, daß die Gaganios Farm selbst sicher keinen Rastplatz für Sandmücken darstellt, weil Temperaturmessungen des Mauerwerkes dieser Farm ergaben, daß tagsüber Temperaturwerte erreicht werden, die für rastende Sandmücken nicht tolerierbar sind (siehe meine Diss.). Hieraus wurde geschlossen, daß mit Blut vollgesogene Sandmückenweibchen und auch die Männchen Rastplätze wählen, die keiner direkten Sonneneinstrahlung unterliegen, wie z.B. ein in Polichrono nachgewiesenen Rastplatz, ein beschatteter Hühnerstall. Im Fall des nachgewiesenen Brutplatzes in Plagiari (der Graben) ist durchaus denkbar, daß die Ph. perfiliewi-Männchen größtenteils in dem Graben verbleiben, also nicht zwingend den weiblichen Sandmücken zum Blutmahl auf die Farm folgen, denn Ph. perfiliewi wurde auf der Gaganios Farm mit einem Geschlechterverhältnis von 1:5 (männl./weibl.) gefangen. Nach dem Abklingen der termischen Aufwinde (ab ca. 1 Uhr) können die mit Blut vollgesogenen Sandmückenweibchen dem natürlichen Gefälle des Geländes folgen und somit in Plagiari wieder den Graben als ihren Brutbereich und in Polichrono die Wasserpumpstation erreichen (siehe meine Diss.).

 

... und wenn Gaganios seine Farm verkauft ...

 ... es bleibt abzuwarten, was in Zukunft in der Region um die Gaganios Farm in Plagiari (Nordost-Griechenland) geschehen wird. Gaganios wird früher oder später seine Farm verkaufen, und dann wird auch an dieser Stelle eine Villa entstehen, wie bereits jetzt auf den links und rechts der Farm angrenzenden Grundstücken. Es drängt sich die Frage auf, an welchem Wirt Ph. perfiliewi dann Blut saugen wird, wenn die Schafe von Gaganios verschwunden sind. Es sei hier noch einmal wiederholt, daß Ph. perfiliewi in Süd-Serbien innerhalb von zwei Jahren sein zuvor zoophiles Blutsaugverhalten in ein hauptsächlich anthropophiles änderte. In Nord-Italien konnte zwar nicht bewiesen werden, daß Ph. perfiliewi für den Ausbruch der Kala-azar Epidemie 1971 - 1972 in Emilia Romagna verantwortlich war, jedoch wurde in anschließenden entomologischen Untersuchungen ausschließlich die SandmückenartPh. perfiliewi in dieser Region gefunden.

 

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